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Pressemitteilung

Worin liegt die Chance, wenn Wirtschaft und Gesellschaft auf Wachstum und Überfluss verzichten?

Rückblick auf den Vortrag von Dr. Reiner Klingholz

Auf Einladung der ÖDP Nürnberg kam der renommierte Potsdamer Chemiker, Bevölkerungsforscher, Wissenschaftsjournalist und Buchautor Dr. Reiner Klingholz am 8. September 2023 nach Nürnberg. Bei seinem Vortrag im Literaturhaus Café sprach er vor 60 Interessierten zu zentralen Fragen des Überlebens der Menschheit.

„Doppelte Überbevölkerung“.

Die kollektive Menschheit ist „ungeheuer erfolgreich“, davon ist Reiner Klingholz überzeugt. Mit über acht Milliarden Individuen hat sich der Mensch auf dem Planeten ausgebreitet – doch dieser Erfolg ist nach Ansicht des Bevölkerungsforschers teuer erkauft: „In den armen Ländern wachsen mehr Menschen heran, als angemessen versorgt werden können. In den reichen konsumieren die Menschen zu viele Rohstoffe und produzieren mehr Abfälle aller Art, als die natürlichen Kreisläufe vertragen können.“ Der Planet leide damit unter einer „doppelten Überbevölkerung“, so Klingholz.

Bevölkerungswachstum senken durch Bildung

Wie aber lassen sich die Probleme von starkem Bevölkerungswachstum und Überkonsum bewältigen? Reiner Klingholz, der u. a. an der Universität Hamburg in der Grundlagenforschung, als Redakteur beim Wochenblatt „Die Zeit“, als Redaktionsleiter von „GEO Wissen“ und als Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung gearbeitet hat, schöpft aus einem reichen Schatz an Wissen und Erfahrung. So seien wirksame Maßnahmen gegen das Bevölkerungswachstum noch „eine vergleichbar einfache Aufgabe“. Denn es sei bekannt, unter welchen Bedingungen die Kinderzahlen sinken: Bessere Gesundheitssysteme, mehr Bildung – insbesondere für Frauen – und auskömmliche Arbeitsplätze hätten überall auf der Welt das Bevölkerungswachstum gebremst.

Abkehr vom zerstörerischen Wirtschaftswachstum

Viel schwieriger sei es, den reichen Teil der Welt auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen. Es sei nahezu unausweichlich, das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell des „immer größer, immer schneller, immer mehr“ in Frage zu stellen. „Wir müssen uns mit weniger zufrieden geben“, resümiert Klingholz, der auch Autor erfolgreicher Bücher ist (zuletzt „Zu viel für diese Welt“, 2021). Dauerhaftes Wirtschaftswachstum, das uns in der Vergangenheit den Wohlstand gebracht habe, könne auf einem begrenzten Planeten nicht nachhaltig sein – denn dieses bedeute zwangsläufig ein Mehr an Gütern und Dienstleistungen, was sich nicht ohne zusätzlichen Ressourcenverbrauch mit der entsprechenden Müllproduktion darstellen lasse. Auch das oft beschworene „nachhaltige oder grüne Wachstum“ hält Klingholz für einen „Widerspruch in sich“. Das Problem sei, „dass die meisten Ökonomen Wachstum als Naturgesetz ansehen und die Politik sich in eine fatale Wachstumsabhängigkeit manövriert hat“.

Viele Einzelschritte möglich, Gesamtkonzept fehlt noch

Mit den Konzepten von Gemeinwohlökonomie und Postwachstumsökonomie gibt es Bestrebungen für neue, nachhaltige ökonomische Konzepte. „Jedoch fehlt bis heute ein umfassendes ökonomisches Gesamtkonzept“, so Klingholz. Dennoch könne man schon heute viele Einzelschritte gehen – etwa mit steuerlichen Anreizen für nachhaltiges Wirtschaften, Investitionen in nachhaltige Technologien oder die Streichung von Subventionen in überkommene Strukturen.

Die Politik „hat die enorme Bedeutung dieser Fragestellung noch nicht verstanden – oder will sie nicht verstehen: Entweder bekommen wir eine Form von Wohlergehen und bescheidenem materiellem Wohlstand hin, der nachhaltig ist – oder wir haben ein riesiges Problem“. Denn in entwickelten Volkswirtschaften „wird das Wachstum so oder so eines Tages gegen null gehen – müssen!“ Ziel müsse es daher sein, „auf internationaler Ebene die fähigsten Köpfe aus Ökonomie und Soziologie zusammenzubringen, um Konzepte für nachhaltiges Wohlergehen ohne Wirtschaftswachstum zu entwickeln“ – ein Ansinnen, das auch die ÖDP unterstützt.

Nürnberger Zuhörende mit hohem Interesse und Diskussionsbereitschaft

Nach dem 90-minütigen Vortrag bestand die Möglichkeit zu den gehörten Themen miteinander und dem Wissenschaftler ins Gespräch zu kommen. Weitere 45 Minuten verbrachten die Teilnehmenden in Diskussion. "Die Köpfe waren erst einmal gut gefüllt und man merkte, wie viele der Anwesenden ins Nachdenken gekommen sind. Es sind Fragen die beschäftigen und Antworten erfordern. Wir kamen rege in den Austausch und kamen vom Globalen bis hin in den potentiellen eigenen Garten, als es darum ging, was der einzelne Mensch tun kann.", berichtet Stephan Mitesser, Kreisvorsitzender der ÖDP Nürnberg, der die Veranstaltung moderieren durfte.

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