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Pressemitteilung

Haushaltsrede von Inga Hager in der Etatsitzung

„Paris pflanzt hunderte zusätzlicher Bäume, wir holzen am Frankenschnellweg erst einmal enorm viel ab.“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher:innen, liebe Vertreter:innen der Presse,

den Schwerpunkt meiner Haushaltsrede für die ÖDP-Stadtratsgruppe möchte ich dieses Jahr auf Klimamaßnahmen legen, denn sie sind der Schlüssel für ein langfristig friedliches Zusammenleben auf unserem Planeten.

Noch bis morgen (21.11.) treffen sich in Brasilien Vertreter fast aller Länder zu einem weiteren UN-Klimagipfel, und es wird deutlich, dass die ursprünglich in Paris gesteckten Ziele der maximalen Erderwärmung um 1,5°C nicht mehr einhaltbar sind, was maßgeblich mit fossilen Energieträgern wie Gas, Kohle und Öl zu tun hat, aber auch mit degradierten Böden, Waldverlust und auftauenden Permafrost-Gebieten.

Ich weiß, dass manche nun schon gerne abschalten und denken, dass wir Deutschen ja nur 1% der Weltbevölkerung ausmachen und damit nicht die Welt retten können. Das mindeste, was wir aber tun müssen, ist, dass wir so zu leben lernen, dass wir nicht auf Kosten anderer Menschen aus anderen Erdteilen leben, und dass für unsere Enkelgeneration auch noch etwas von den Ressourcen zum Leben übrig sein wird.

Die Kriegsberichte aus der Ukraine und aus Gaza haben die Umweltbelange zeitweise komplett aus den Nachrichten verbannt und man konnte den Eindruck gewinnen, dass alles andere wichtiger ist und wir momentan gar keine Zeit hätten, uns um das Klima zu kümmern. Leider warten die schon weit fortgeschrittenen Veränderungen nicht, bis wir uns Zeit für sie nehmen: die Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Dürreperioden nehmen zu.

Das Deutsche Institut für Wirtschaft DIW in Berlin errechnet ein Nutzen-Kostenverhältnis von Klimaschutzmaßnahmen von 1,8 bis 4,8, das heißt jeder Euro, der für Klimaschutzmaßnahmen investiert wird, verhindert Folgekosten von 1,80 bis 4,80 Euro. Dies gilt ebenso im Sozialen: jeder in Prävention investierte Euro verhindert höhere Folgekosten bei der Krankheitsbehandlung.

In Paris haben sich die Investitionen schon bemerkbar gemacht. Unter der Bürgermeisterin Anne Hidalgo sind schon enorm viele Begrünungsmaßnahmen in der Stadt umgesetzt worden: 70.000 Parkplätze wurden in Baumstandorte verwandelt, 200 Straßen wurden zu sogenannten Gartenstraßen und für den motorisierten Verkehr gesperrt, das ÖPNV-Netz wird massiv erweitert, die Höchstgeschwindigkeit auf der Ringautobahn „Boulevard Périphérique“ wurde von ursprünglich 90 erst auf 70 und im Oktober 2024 auf 50 km/h reduziert. Die linke der drei Fahrspuren wurde zu einer Umweltspur erklärt, sie darf nur genutzt werden, wenn mehr als eine Person im Auto sitzen. Das Normaltempo auf Pariser Straßen ist 30 km/h. Zuletzt wurde ein Stadtwald auf dem Rathausplatz mit 50 großen Bäumen und 20.000 Sträuchern und Farnen gepflanzt. Die Bevölkerung profitiert von geringerer Hitze, von sicherer Mobilität und mehr Begegnungsraum, die Krankheitskosten nehmen ab.

Nun zu Nürnberg:

Die beiden Bereiche, die sich bisher auf dem Weg zur Klimaneutralität noch am schwierigsten gestalten sind der Verkehrs- und der Bausektor. Dies ist einer der Gründe, warum wir den Ausbau des Frankenschnellwegs ablehnen. Es sind gar nicht die hohen Kosten, die wir aus Städtischen und Landesmitteln bezahlen müssen und die dann für wichtige Projekte für den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt fehlen.

Unser Raum in der Stadt ist begrenzt und nicht vermehrbar. Wenn die Route durch die Stadt an Attraktivität zunimmt, weil der Verkehr fließt, dann werden mehr Autos und LKW diese Route nutzen. Eine geplante Zunahme des Durchgangsverkehrs widerspricht aber komplett den Zielen einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Diejenigen, die in die Stadt hinein oder aus ihr herausfahren möchten, werden weiterhin an Ampeln warten müssen. Für sie wird viel Fläche neu versiegelt, obwohl wir doch eigentlich anstreben, mehr Menschen zur Nutzung der Öffentlichen Nahverkehrsmittel zu bewegen.

Paris pflanzt hunderte zusätzlicher Bäume, wir holzen am Frankenschnellweg erst einmal enorm viel ab: im Gleisdreieck im östlichen Bereich des Frankenschnellwegs sind die Bäume und Kleingärten schon vernichtet um Platz zu schaffen für Baumaterialien und Bodenaushub aus dem West-Bauabschnitt.

Wenn der Bauabschnitt Mitte auch noch in Angriff genommen wird, dann werden die Wäldchen, immerhin 2,5 ha Biotopfläche, die auf dem ehemaligen Kanalbett gewachsen sind und die Fahrtrichtungsspuren voneinander trennen gerodet. Dieses Grün kann vor Ort nur marginal ausgeglichen werden, und es wird Jahrzehnte dauern bis der versprochene „Gründe Deckel“ nennenswert zur Kühlung der Umgebung beitragen kann.

Aber das Projekt Frankenschnellweg hat nicht nur Auswirkungen auf den Verkehr und die Grünbilanz der Stadt. Auch der Bausektor spiel eine gewichtige Rolle: Enormer Betoneinsatz für den Tunnel- und Straßenbau stehen den Bemühungen um Klimaschutz diametral entgegen.

Im bereits ohne die Stimmen der ÖDP beschlossenen Ausbauabschnitt West geht es primär um Lärmschutz, und es hieß: „da kann man doch nichts dagegen haben!“ Betrachtet man aber die bereits bestehenden ca. 4m hohen Lärmschutzwände, so sieht man, dass diese von den Gartenseiten der Anwohner her überwiegend gut begrünt und von hohen Bäumen gesäumt sind. Laut Beschluss kommen diese Wände und auch die Bäume weg, und es werden neue, 8m hohe kahle Wände errichtet. Da ein Versorgungsweg auf dem öffentlichen Grund hinter der Wand entlangführen soll, werden die Gärten der Anwohner um einiges kleiner. Diese Schnellstraße zwischen hohen Betonwänden zementiert den Eindruck von Stadtautobahn. Lärmschutz ist so viel einfacher durch ein Tempolimit zu erreichen und zwar sofort und quasi ohne Kosten.

Nehmen wir diese beiden Posten aus dem Mittelfristigen Investitionsplan heraus, so haben wir bereits im Jahr 2026 5,1 Mio. Euro mehr zur Verfügung!

Einen weiteren MIP-Antrag aus dem Verkehrsbereich haben wir gestellt: der Umbau des Plärrers ist uns sehr wichtig: aktuell nehmen die Autofahrspuren so viel Raum ein, dass die Aufenthaltsqualität dort nicht nur sehr gering ist, sondern es ist für Zu Fuß Gehende und Fahrrad Fahrende besonders eng und unattraktiv. Inzwischen hat auch die Verwaltung wieder Geld zur Umsetzung des Plärrer-Umbaubeschlusses eingestellt. Wir möchten die Investition jedoch noch weiter beschleunigen, damit zur Landesgartenschau im Frühjahr 2030 alles fertig ist, da wir dann mit vielen Besucherinnen und Besuchern rechnen, die diesen Platz queren werden. Der Plärrer-Umbau soll nicht nur den ÖPNV-Knoten attraktiver machen und dem Radverkehr mehr Raum geben, sondern die Bus- und Straßenbahnein- und ‑ausstiege sollen auch barrierefrei möglich werden.

Die Beschleunigung der Ringbuslinien sollte nicht aus dem MIP genommen werden, wie im aktuellen Veränderungsvorschlag der Verwaltung vorgesehen, sondern sie sollte weiterhin umgesetzt werden. Das ist eine Maßnahme die dringend notwendig ist, um den ÖPNV attraktiver zu machen und die Nürnbergerinnen und Nürnberger zu motivieren, ihr Auto öfter einmal stehen zu lassen.

Für den Bau von öffentlichen Radwegen haben wir beschlossen, in Nürnberg jährlich 10 Mio. Euro zu investieren. Zwar wurden nun ein paar Radverkehrs-Maßnahmen im MIP separat aufgeführt, wie z.B. die Amberger Straße. Für das Jahr 2026 fehlen unseres Erachtens jedoch 1,5 Mio. Euro. Diesen Betrag bitten wir entsprechend zu erhöhen.

Der Umbau der Senefelder Straße zu einer Fahrradstraße wurde bereits dieses Jahr begonnen und der Zuwendungsbescheid der ZUG liegt vor. Im Radwegebauprogramm ist diese Maßnahme für 2026 vorgesehen, sie sollte nicht erst ein Jahr später erfolgen.

Neben diesen Verkehrsbelangen haben wir noch einen MIP-Änderungsantrag zum Masterplan Freiraum gestellt: Für das kommende Jahr wollen wir 1,895 Mio. Euro mehr und damit wenigstens 4 Mio. Euro in diesen Bereich investieren. Der Masterplan Freiraum muss zur Abmilderung der Folgen vermehrter Hitzetage in der Stadt möglichst zügig umgesetzt werden. Unsere Forderung für 2026 bleibt unter dem im vergangenen Jahr im MIP vorgesehenen Ansatz für 2026 von 5,7 Mio. Euro.

Im Hinblick auf Inklusion sind wir in Nürnberg auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Dr. Sigrid Andrade, die persönlich an der Entwicklung der UN-Behindertenrechtskonvention beteiligt war, machte kürzlich auf der Inklusionskonferenz der Stadt Nürnberg deutlich, was nötig ist, um Inklusion auch außerhalb der Stadtverwaltung konsequent umzusetzen: Eine konsequente Beteiligung aller betroffenen Selbstvertretungsorganisationen. Wer zum Beispiel barrierefrei erreichbare Arztpraxen im eigenen Stadtteil sucht, weiß, wie viel Anstrengung noch vor uns liegt. Wir wollen, dass auch in finanziell sehr herausfordernden Zeiten der Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK konsequent weiterentwickelt wird.

Bei den konkreten Stellenschaffungen haben wir uns in diesem Jahr nicht mit Änderungsanträgen eingemischt. Wir haben jedoch bereits vor vier Wochen einen Antrag gestellt, um die Kommunale Verkehrsüberwachung zeitlich und räumlich auszuweiten. Dies scheint uns nötig, weil wir vermehrt gefährliche Situationen bemerken, die daraus resultieren, dass Fuß- und Radwege durch PKW zugeparkt werden. An Kreuzungen geht Übersicht verloren, wenn die vorgeschriebenen 5 Meter Abstand von Parkenden nicht eingehalten werden, und auch die abgesenkten Bordstein-Bereiche sind häufig nicht mehr zugänglich, wodurch geheingeschränkte Personen massiv behindert werden. Diese Personalstellen sollen zunächst befristet geschaffen werden so lange, wie die entstehenden Kosten sich über die Einnahmen bei Verstößen selbst finanzieren.

Es ist unsere große Vision, dass die Zahl der Autos in der Stadt erheblich abnehmen wird. Nicht, weil es verboten ist zu fahren, sondern weil es nicht mehr nötig ist, da zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Öffentlichen Verkehrsmitteln alle Ziele der Stadt bequem erreichbar sind. Der Anspruch, einen Parkplatz vor der Haustür zu haben, kann nicht überall erfüllt werden, denn diese Lebensqualität des Einen bedeutet manchmal Behinderung der Anderen.

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