Pressemitteilung
Das Tierschutz/Artenschutz-Dilemma
Warum die ÖDP-Nürnberg dem Töten gesunder Affen zustimmen konnte
Foto: "Guinea baboon (Papio papio) with juvenile at Port Lympne Wild Animal Park" von William Warby, Wikimedia Commons, CC BY 2.0
Als Tiergartendirektor Dag Encke im Februar 2024 im Umweltausschuss über die Notwendigkeit des Populationsmanagements auch bei den Guinea-Pavianen berichtete, konnte Stadträtin Inga Hager die Argumentation gut nachvollziehen: „das Ringen der Verantwortlichen des Tiergartens um das Leben seiner Schutzbefohlenen war deutlich zu spüren. Ich habe Hochachtung davor, dass der Tiergartenchef diese ethische Abwägung, ob das Leben einzelner Tiere zugunsten des Engagements für den Erhalt der ganzen Art geopfert werden darf, öffentlich führt. Selbstverständlich stehen wir weiter hinter der Entscheidung und dem Vollzug der Tötung von zwölf Tieren und sind uns sicher, dass die Tiergartenleitung alle möglichen Alternativen zuvor eingehend geprüft hat. Auch wir Mitglieder des Nürnberger Stadtrats wurden in den letzten Wochen teilweise mehrfach täglich mit Protesmails durch Tierrechtler bedacht. Am 19. Juli antworteten wir seitens der ÖDP mit folgender Stellungnahme:
Vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihr Engagement für den Tierschutz.
Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie aus Tierschutzsicht das Tierschutzgesetz betrachten, nach dem niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Und natürlich muss es einen vernünftigen Grund geben, wenn gesunde Tiere getötet werden müssen.
Hierin liegt das große Dilemma zwischen den beiden Bereichen Tierschutz und Artenschutz:
Vom Artenschutz her betrachtet haben wir diesen Tieren bereits Leiden und Schäden zugeführt, indem wir ihren Lebensraum immer weiter zerstörten, besiedelten und einengten, so dass sich nur noch kleine Populationen in der Natur finden. Da dies den genetischen Austausch auf längere Sicht unmöglich macht, ist die ganze Art vom Aussterben bedroht. Die Chance, die Zoos, wie der Nürnberger Tiergarten nun ergreifen, ist der Erhalt dieser Affenart in stabilen sozialen Strukturen. So kann eine sogenannte Reservepopulation gehalten werden, die diesen genetischen Austausch vielleicht irgendwann gewährleisten kann, um die Art zu erhalten. Dazu müssen diese Tiere aber auch möglichst artgerecht gehalten werden, wozu auch die Möglichkeit sich zu paaren und Jungtiere aufzuziehen gehört. Wird die Gruppe zu groß in ihrem begrenzten Territorium, werden die Tiere aggressiv und fügen sich gegenseitig Schaden zu. Das Gehege zu vergrößern würde das Problem des Platzmangels nur verzögern und nicht beseitigen. Der Tiergarten möchte aber auch bei weiteren Arten Reservepopulationen aufbauen und nicht nur Paviane züchten. Einige Tiere an andere Zoos abzugeben, ist leider nicht gelungen. Die Einrichtungen, die zunächst Interesse geäußert hatten, stellten sich als ungeeignet heraus. Die Lebensbedingungen für die Primaten sollten genauso hohen Anforderungen entsprechen, wie wir sie hier vorsehen.
Wir Ökodemokratinnen und Ökodemokraten sehen da einen großen Unterschied zwischen Mensch und Tier: Ein Mensch ist in der Lage aus Vernunft auf Fortpflanzung zu verzichten, Bedürfnisse aufzuschieben, Kompromisse zu schließen und zu Gunsten von geliebten Mitmenschen auf eigene Vorteile zu verzichten. Menschen darf man nicht töten, um Leid zu verhindern. Dafür gibt es moderne Medizin, die Leiden erträglich machen soll. Für Tiere dagegen bedeuten Leiden unerträgliche Situationen, weil sie keinen Sinn erkennen und nicht in die Zukunft planen können. So werden Haustiere bei unheilbarer Erkrankung selbstverständlich eingeschläfert. Leider werden die Qualen der Käfighaltung unserer sogenannten Nutztiere aber weitgehend ignoriert.
Zurück zu den Pavianen: Bedeutet das Leben in einem anderen Zoo unter schlechten Bedingungen mehr Leiden, so ist es besser, das einzelne Tier zu töten und z. B. an die Raubkatzen zu verfüttern, dies entspricht am ehesten einem natürlichen Kreislauf der Natur.
Unsere große Vision ist, dass wir Menschen unseren Konsum von Fleisch, Fisch, Eiern und Milch drastisch reduzieren und uns auf Tiere aus artgerechter Weidehaltung beschränken. Dann könnte viel Fläche, auf der jetzt Futtermittel angebaut werden, wieder für Wildtiere frei werden.
Dieser Text stammt von ÖDP Stadträtin Inga Hager und er wurde am 18.07.2025 in der ÖDP-Kreisvorstandssitzung für gut befunden.