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Pressemitteilung

Ehe und Familie - Auslaufmodell oder Zukunftsgarantie?

ÖDP-Landesvorsitzender Bernhard Suttner in Nürnberg: "Ehe als Protest gegen die Alleinherrschaft des Marktes" "Entlastung durch Netzwerke"

NÜRNBERG / Der bayerische Landesvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Bernhard Suttner, legte in Nürnberg ein klares Plädoyer für den Schutz von Ehe und Familie. Das Grundgesetz stelle in Artikel 6 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Hintergrund für diese gesetzliche Verankerung sei die Erfahrung des Nationalsozialismus, die Erfahrung eines totalitären Systems, in dem der Staat sich oft genug an die Stelle der Familie setzte und versuchte, weite Teile der Erziehung und Prägung von Kindern und Jugendlichen zu übernehmen. Dies sei auch der Hauptgrund, warum das Grundgesetz das "natürliche" Recht und die Pflicht der Eltern zur "Pflege und Erziehung" der Kinder betone. Der staatlichen Gemeinschaft komme ein Ersetzen der Erziehungsaufgabe von Eltern und Familie nur bei nachgewiesenem schweren Versagen der Eltern und einer dadurch drohenden Verwahrlosung der Kinder zu. "Ich habe das Gefühl, dass dieser Grundgesetzartikel nicht mehr so recht verstanden wird, ja dass er in die Kritik gerät. Zwar verlangen nur einige Außenseiter (wie z.B. der Jugendverband der Grünen) die Änderung, weil sie grundsätzlich die traditionelle Ehe als Widerspruch zur "Gender-Theorie" verstehen; dennoch breitet sich mehr und mehr Skepsis zu Artikel 6 aus," so Suttner. Üblich sei mittlerweile die Definition: "Familie ist, wo Kinder leben" . "Vor allem die Grünen, mehr und mehr aber auch PolitikerInnen anderer Parteien achten stets darauf, die verfassungsrechtliche Privilegierung der Ehe herunterzuspielen und den Schwerpunkt auf Kinder und Familie zu legen. Nur das Verfassungsgericht selbst bleibt bislang stur: Es hat sogar beim Passierenlassen des Lebenspartnerschaftsgesetz die Gelegenheit benutzt, auf den staatlichen Schutz der Ehe hinzuweisen und ihn als nach wie vor gegeben konstatiert, selbst wenn der Staat andere ´Paarbildungen´ anerkennt und mit eheähnlichen Vorteilen ausstattet." "Wieso eigentlich, sollte sich der Staat hier nicht dem Zeitgeist anpassen und Abschied nehmen von der Ehe? Zum einen gibt es diesen Zeitgeist gar nicht. Die Ehe steht nach wie vor hoch im Kurs und wird als Institution aber auch als privates Lebensziel nach wie vor hoch geschätzt. Auch wenn Ehen heute öfter zerbrechen als früher, bleibt doch die Sehnsucht der allermeisten Menschen nach einer dauerhaft-tiefen und nicht bloß vorläufigen Beziehung erhalten. Nicht umsonst streben Menschen eine zweite oder dritte Ehe an, obwohl die erste an den Schwierigkeiten des Lebens zerbrochen ist. Die Sehnsucht nach der vielleicht doch einmal glückenden lebenslangen Bindung ist offenbar unverwüstlich," so der Ökodemokrat. Diese Hochschätzung der Ehe stehe in deutlicher Opposition zu einigen vorwiegend ökonomisch begründeten Tendenzen unserer Zeit. "Dauerhaftigkeit ist in der Ökonomie unmodern, Befristung ist zeitgemäß. Möglichkeiten prinzipiell auszuschließen gilt als unproduktiv ("nichts ist unmöglich!"). Verträge mit hohem Risiko sind zu meiden." Das Eheversprechen betone genau diese Opposition: Lebenslang, exklusiv-treu, in guten wie in bösen Tagen gültig. "Hat die Gesellschaft Vorteile, wenn sich Menschen dazu verpflichten, sich dauerhaft aneinander zu binden? Hat die Gesellschaft Vorteile, wenn sich Menschen zu einer exklusiven Bindung entschließen und damit andere Verbindungen ausschließen? Hat die Gesellschaft Vorteile, wenn sich Menschen zu einem Vertrag mit hohem Risiko entschließen? Die Ehe als Idee und als eingelöstes Versprechen stellt ein wirkungsvolles Symbol für eine verlässliche Lebenshaltung dar. Radikal gesprochen ist die Ehe ein Protest gegen die Alleinherrschaft des Marktes, der Abwägung und Abschätzung, weil sich da jemand auf Dauer bindet obwohl Veränderung sicher eintritt. Sie ist auch ein Protest gegen die allgemeine Befristung. Es soll eben nicht alles vorläufig und vorbehaltlich sein - vor allem dann nicht, wenn es um sehr intime Dinge geht." Auch wenn nicht jede Ehe gelinge, müsse sie als schutzwürdiges Institut als Ziel unangetastet bleiben, weil eine Gesellschaft, die sich mehr und mehr als prinzipiell vorläufig, befristet und unverbindlich verstehe dieses "Anti-Modell" der Beständigkeit, der Verlässlichkeit und des Verzichts auf das reine Gewinnkalkül brauche. Aber auch bei der traditionellen Hochschätzung von Familien beginne ein massiver Erosionsprozess: "Oft genug kommen Familien erst dann in die Medien, wenn ihr Versagen offensichtlich ist." "Warum ist heute Familie nicht mehr so einfach zu leben? Weil Familie genauso wie die Ehe eigentlich im Widerspruch zu einer Reihe von Zeitgeist-Strömungen steht. Deshalb ist heute Familienleben schwieriger als früher. Wer es dennoch gut schafft, leistet mehr als früher." Die Familie stünde heute mehr denn je im Konflikt mit Ansprüchen wie "Du musst dir deine Freiheit bewahren, nur keine endgültigen Bindungen!" "Du musst mobil sein und mobil bleiben; `Verwurzelung` an einen Ort und in eine Nachbarschaft ist ebenso schädlich wie eine feste Bindung." "Du musst möglichst viel Geld haben und einen möglichst luxuriösen Lebensstil pflegen." "Du musst Karriere machen." "Alles muss Spaß machen, volle Action bringen, echt cool, geil, voll krass sein" Das habe Familie sehr oft zu bieten - aber eben auch das direkte Gegenteil: Routine, Probleme, ja auch tiefes Leid. Was brauchen Familien wirklich? Suttner ermutigte Ehepartner und Familien zu mehr Selbstachtung und Selbstbewusstsein: "Hier wird höchst wertvolle Arbeit geleistet, die aber leider nicht bezahlt wird und kaum einen Rentenanspruch begründet. Wenn ich meine Sache als Mutter oder Vater einigermaßen gut mache, dann ist das ein gewaltiger Dienst an der Gesellschaft. Wenn alle Familien morgen das täten, was ihnen derzeit von nahezu allen empfohlen wird - nämlich die Kinderbetreuung an öffentliche Einrichtungen abzugeben und alle Mütter und Väter voll und ganz am Arbeitsmarkt anzumelden, dann hätten wir ein Riesenproblem! Wenn zusätzlich alle alten Menschen in Einrichtungen müssten und die familiäre Pflege nicht mehr stattfände, was dann? Die Familien würden oft generell unter Verdacht gestellt werden. "Es wird die Meinung verbreitet, gute Erziehung finde besser in Einrichtungen des Staates statt. Dort seien wahre Profis am Werk, während die Eltern keine Ahnung hätten. Das ist falsch. Die Bindungsforschung sagt etwas anderes: Nur dort wo extrem viele Betreuerinnen (1:4) und am besten auch einige Betreuer sich um die Kinder kümmern ist die Krippe und der Hort ähnlich gut wie eine durchschnittliche Familie. Manche behaupten, Eltern könne man kein Geld in die Hand geben - sie würde es versaufen und verrauchen, kauften teure Fernseher und ähnlichen Unsinn, fütterten ihre Kinder mit Fertigpizza und Chips und säßen selber auch nur auf dem Sofa vor dem Fernseher. Besser als Kindergelderhöhung sei die staatliche Schulspeisung. So etwas würde sich keine andere Berufsgruppe gefallen lassen: `Statt Lohnerhöhung oder Diätenerhöhung besseres Kantinenessen?` Da gäbe es einen Aufstand. Es wird ein Bild gezeichnet von Familien, die ihre Kinder vernachlässigten, sie verhungern ließen, sie missbrauchten und sie umbrächten. Es ist bei den Familien wie bei allen anderen Menschengruppen auch - vom Politiker über die Handwerker über die Versicherungsvertreter, Lehrer, Ärzte und Bauern bis hin zu den Journalisten - überall gilt die sog. Gauss´sche Normalverteilung: Einige wenige Totalversager und Kriminelle, ganz viele die sich ehrlich bemühen und die durchschnittliche Ergebnisse erzielen, einige wenige Überflieger, die alles richtig machen. Aber niemand lässt sich von den schlechtesten der Gruppe sein Image bilden. Nur bei den Familien scheint das jetzt üblich zu werden." Unverzichtbar ist in dieser Gesellschaft auch die finanzielle Anerkennung Immer noch zahle sich die Kindererziehung bei der Rente nur in lächerlich geringer Weise aus, obwohl gerade die Eltern und Familien die Basis für einen Fortbestand des Rentensystems gebildet hätten. "Ungerecht ist auch die schleichende Umstellung des Steuersystems auf Konsumsteuern (z.B. die Mehrwertsteuer): Während ein Single ein Einkommen hat und nur für einen Menschen Mehrwertsteuer zahlt, bekommen Familien in der Regel 1,5 Einkommen und zahlen aber für 3, 4 oder gar noch mehr Personen Mehrwertsteuer. Das gleicht auch das Kindergeld nicht aus. Das Kindergeld ist übrigens keine Wohltat des Staates, sondern ein verfassungsrechtlich gebotener Mindestausgleich für die unzulässige Besteuerung des Existenzminimimums der Kinder. Gerecht wäre eine sozialversicherungspflichtige Bezahlung der Familienarbeit bei kostenpflichtiger öffentlicher Betreuung - oder aber eine andere Rentensystematik, in der man Beiträge entweder in Form von Geld oder gleichwertig in Form von Kinderbetreuung zahlt. Überfällig ist die Einführung des verminderten Mehrwertsteuersatzes für kinderbezogene Artikel." Ein selbstverständliche, leider immer noch nicht ganz erfüllte Forderung sei die Freistellung des Existenzminimums aller Familienmitglieder von der Steuer. Unverzichtbar sei eine ordentliche Alterssicherung für Eltern. Suttner verwies auf das Rentenmodell der katholischen Verbände, in dem wenigstens eine steuerfinanzierte Sockelrente für alle und 6 Jahre Kinderzeiten berücksichtigt würden. "Am besten aber wäre ein Erziehungs- und Pflegegehalt für Familienleute, die diese Arbeiten entweder selbst erfüllen oder aber einen entsprechenden Arbeitsplatz in der Familie durch andere geeignete Arbeitskräfte besetzen." "Die Familien brauchen Netzwerke und Beistandshilfen Dazu zähle ich die Verwandtschaften, die Nachbarschaften, die Vereine und auch die professionellen Institutionen Kindergarten und Schule, sowie Beratungsstellen aller Art. Es wäre sicherlich sinnvoll, Schulen und Kindergärten zu Kommunikationszentren rund um die Begleitung von Kindern und Jugendlichen auszubauen. Es kann nicht darum gehen, die Erziehung mehr und mehr der Schule und den dort arbeitenden Sozialpädagogen zu übertragen: Es muss immer darum gehen, die Eltern und die Profis zusammenzubringen und gemeinsam zum Wohl des Kindes arbeiten zu lassen. Alle diese Netz-Punkte müssen zusammenarbeiten wollen, miteinander reden wollen und dies alles nicht nur `wenn es brennt´ sondern schon vorher so lange alles gut läuft! ´Um ein Kind groß zu ziehen braucht es ein ganzes Dorf´ lautet ein afrikanisches Sprichwort. Das gilt auch bei uns. Wohl den Familien, die sich nicht einmauern und abschotten! Aber alle diese Netzwerk-Knoten können die Familie nicht ersetzen. Doch ohne diese Knotenpunkte brechen Familien oft zusammen." "Die Familien brauchen psychische Entlastung und eine Schule, die Probleme löst und weniger Probleme macht. In Skandinavien ist es selbstverständlich, dass in jeder Klasse eine zweite Kraft mitarbeitet, um Kinder individuell zu fördern. Außerdem sollte der Stress in der Grundschule abgebaut werden und die Schullaufbahnentscheidung auf die 6. Klasse verschoben werden. Entlastend wäre auch, wenn die Gesellschaft auch nichtakademische Berufe besser anerkennen und wertschätzen würde. Dann würde der unselige Druck auf die Familien ("mein Kind muss auf´s Gymnasium!") abnehmen. Entlastend wäre für die Familien auch eine Arbeitswelt, die sich an die Familien anpasst und nicht von diesen totale Anpassung verlangt - wir brauchen endlich das selbstverständliche Recht der Eltern auf Teilzeitarbeit!"

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